control.remote.

von Profi Kollektion, mit Unterstützung von helfersyndrom
mit Vivien van Deventer und Isabelle Drexler
Sound/Programmierung: Falk Hübner
Ausstattung/Bild: Katja Kämmerer
Dramaturgie: Steffen Lars Popp
Regie: Jan Deck, Katja Kämmerer
Premiere am 16.04.2009 im Gallustheater, 20 Uhr
Weitere Vorstellungen am 17. und 24.04. / 21. und 23.05. Landungsbrücken Frankfurt //

Du, dein Körper und die Maschine: Eine binäre ménage à trois, ein Amalgam aus Tech-Prothesen und Projektionen in den Cyberraum. Zwei Performerinnen im Technologie-Geflecht, im Spiel von Verschaltung und Überlagerung – Microsl@ves oder Cyborgbodies, das ist hier die Frage.
Wohin wird die Reise gehen, wenn alles und jeder schon drin ist, im digitalen und kapitalen Netz. Ein Abend zwischen Automaten, Schweißflecken, kybernetischen Sounds und angewandter Informationstheorie – im Wettstreit von Zufall und Programmierung.

Nach Poppy’s Monster ist dies die zweite Produktion der Bildenden Künstlerin Katja Kämmerer und des Theaterschaffenden Jan Deck, die sie als »Profi Kollektion« realisieren. Zum Künstlerensemble gehören diesmal neben den Performerinnen Vivien van Deventer und Isabelle Drexler der Theaterwissenschaftler und Dramaturg Steffen Lars Popp und der Musiker und Komponist Falk Hübner.

Presse

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG, Rhein-Main-Zeitung/Kultur, 23.4.09 // Alles unter Kontrolle // „Profi-Kollektion“ spielt „Control.remote“ im Gallus // von Jürgen Richter
Nicht als Zuschauer, als Teilnehmer fühlen sich die Leute auf den Stuhlreihen beiderseits der Aktionsfläche mit Laptops und einer Leinwand für die Powerpoint-Präsentation. Der Laborcharakter der Installation schließt im Unterbewusstsein ein passives Dasein aus, assoziiert eine Pflicht zum Lernen, zumindest zum Verstehen. Zu verstehen gibt es eine Menge, denn die beiden smarten, als Trainerinnen aufgemachten Damen verkünden nichts Geringeres als die völlige Neupositionierung unserer Existenz.
Dabei fängt es ganz vertraut an in der Performance „Control.remote“, dem zweiten Auftritt der Gruppe „Profi-Kollektion“. Kommandos wie Bildschirm anschalten, System anmelden, Passwort eingeben, Outlook öffnen, Scanner aktivieren sind zumindest dem Büromenschen längst Routine. Neu sind auch nicht die Inhalte, denn Parolen wie Mensch – X = Maschine oder Maschine – X = Körper lesen sich wie das kleine Einmaleins einer täglich neu ausgegebenen Daseinsbestimmung. Doch anknüpfend an alltägliche Verrichtungen, gehen die Akteurinnen über zu einem fremdbestimmten Körpereinsatz, den sie synchronisieren mit ihren technokratischen Thesen. Ganz selbstverständlich akzeptieren sie stellvertretend für alle die eigene Rolle in einem sachlich definierten Funktionsschema.
Bei der Inszenierung im Frankfurter Gallus-Theater ist jeder Widerspruch zu dieser logisch belegten Bestimmung unter dem argumentativen Druck der Experten ausgeblendet. Die Vermittlung von Organen, von natürlichen Abläufen als Teil einer steuerbaren Maschinerie entblößt die eigene Position von Sinnlichkeit und Spiritualität. Das Individuum findet sich in seiner maschinellen Bestimmung nicht wie bei Chaplin am Fließband oder wie bei Huxley in der Retorte, es reiht sich ein in den Rhythmus der Software und begnügt sich mit dem Versprechen, dass mit dem Bio-Adapter der Körper aller Probleme ledig und der Geist aller Chancen gewärtig sein wird.
Es entsteht eine frostcoole Atmosphäre in der Performance, in der Projektionen zerhackt werden, jede Sprache durch Mikrofone gefiltert wird und schließlich die begleitenden Auftritte aus Fleisch und Blut digitalisiert erscheinen. Hier sehen die Augen wie Sensoren und schaffen keinen Kontakt. Hier bringt sich jeder ein in den unsichtbaren Dauertest mit undurchschaubaren Punktesystemen. Im perfekt von Emotionen gesäuberten Raum wird spürbar, was wir gewinnen, wenn unsere Bedürfnisse allein von den dafür zuständigen Spezialisten bedient werden. Dass hinter solchen Projekten aber nicht nur kommerzielle Interessen stehen, dass jedes technisch gelöste Anliegen über die Hilfe zur Abhängigkeit und damit zur Macht führt, das wird in dieser beunruhigenden Lektion vorerst noch nicht thematisiert.


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